Die Kuh als Energielieferant – Dr. Werner Baumgart über Agriversa & Energieunabhängigkeit
Inhaltsverzeichnis
- 🌱 Warum Agriversa mehr ist als ein Stall
- 🐄 Herkunft und Motivation: Ein Leben mit Kühen
- ⚠️ Das Problem: Widersprüche in der heutigen Tierhaltung
- 🔬 Technik im Kern: Wie aus Gülle Energie und Rohstoffe werden
- ⚡ CO2-Methanisierung als Gamechanger 😊
- 💧 Dezentraler Wasserstoff: Produktion dort, wo Bedarf entsteht
- 🏙️ Berlin als Modellstandort – warum hier starten?
- 💶 Wirtschaftlichkeit: Lässt sich das rechnen?
- 🌍 Skalierbarkeit: Von Deutschland in die Welt
- 👩🌾 Personal und Nachwuchs: Die Menschenfrage
- 🧭 Werte und Motivation: Was treibt die Initiatoren an?
- 📈 Konkrete Angebote: Was würden Betriebe und Städte konkret erhalten?
- ❓FAQ
- 🔚 Fazit: Landwirtschaft als Motor für Energieunabhängigkeit
🌱 Warum Agriversa mehr ist als ein Stall
Agriversa ist ein Konzept, das Landwirtschaft, Energieproduktion und Digitalisierung zu einem geschlossenen Kreislauf verbindet. Kernidee: Die Kuh liefert nicht nur Milch und Fleisch, sie ist auch eine Energiequelle. Hinter dieser Idee steht die Einsicht, dass landwirtschaftliche Betriebe ihre Ressourcen effizienter nutzen müssen, um Tierwohl, Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit zu vereinen.
Die Tradition des bäuerlichen Wissens trifft hier auf moderne Prozessketten. Pflanzen binden Sonnenenergie und CO2, Tiere verwandeln Pflanzen in hochwertige Nahrungsmittel und organische Reststoffe. Diese Reststoffe werden technologisch weiterverarbeitet, um saubere Energie, Dünger und weitere Wertstoffe zu erzeugen.
🐄 Herkunft und Motivation: Ein Leben mit Kühen
Die Idee von Agriversa entspringt keiner abstrakten Forschungslabor-Überlegung, sondern einer Lebensgeschichte, die in der Landwirtschaft verwurzelt ist. Wer die Landwirtschaft ernstnimmt, weiß: Man muss Ressourcen schonen. Diese Haltung, gepaart mit jahrzehntelanger Praxis mit Kühen und Feldern, bildet die Basis.
„Wir sind die, die für die Natur sorgen müssen, weil sie uns den Reichtum gibt, den wir anhäufen können.“
Aus dieser Perspektive ergibt sich ein pragmatischer Blick auf Tierhaltung: Ein gesundes, stressfreies Tier produziert besser. Genau daran setzt die Neugestaltung von Stall- und Haltungssystemen an.
⚠️ Das Problem: Widersprüche in der heutigen Tierhaltung
Die öffentliche Debatte sieht die Landwirtschaft, insbesondere die Milchviehhaltung, oft als große Umweltbelastung. Methanemissionen, Flächenverbrauch und Vorwürfe der Massentierhaltung stehen im Raum. Zugleich sind großtechnische Lösungen finanziell attraktiv, aber nicht automatisch tiergerecht.
Das Entscheidende ist, aus dem linearen Modell Abfall zu erzeugen, auszubrechen und stattdessen die Stoffströme zu schließen. Agriversa will genau das: Emissionen reduzieren, Energie erzeugen und Tierwohl sichern.
🔬 Technik im Kern: Wie aus Gülle Energie und Rohstoffe werden
Die technische Basis von Agriversa besteht aus mehreren miteinander verzahnten Prozessen:
- Biogaserzeugung aus Gülle, Futterresten und organischem Abfall.
- CO2-Methanisierung – das im Biogas enthaltene CO2 wird wieder in Methan umgewandelt, wodurch die Ausbeute deutlich steigt.
- Plasmalyse (Plasmolysis) – eine anschließende Veredelung des Methans, die Wasserstoff und reinen Kohlenstoff liefert.
Die Folge: Aus organischem Input entstehen mehrere marktfähige Produkte gleichzeitig – Methan/LNG, Wasserstoff, Kohlenstoff und hochwertiger Dünger. Zusätzlich fällt viel Abwärme an, die für Wärme oder Strom genutzt werden kann.
⚡ CO2-Methanisierung als Gamechanger 😊
Die Methanisierung des im Biogas vorhandenen CO2 ist aus zwei Gründen bahnbrechend. Erstens erhöht sie die Menge nutzbaren Brennstoffs erheblich. Zweitens verwandelt sie ein Treibhausgas in speicherbare und handelbare Energie.
„Wir haben das CO2 praktisch umsonst. Wenn wir es methanisieren, schaffen wir eine hocheffiziente Art, aus vorhandenem Kohlenstoff Energie zu machen.“
Gegenüber aufwändigen Methoden der direkten CO2-Entnahme aus der Atmosphäre ist dies wirtschaftlich deutlich vorteilhafter, weil das CO2 direkt als Nebenprodukt anfällt und nicht erst chemisch aus der Luft entfernt werden muss.
💧 Dezentraler Wasserstoff: Produktion dort, wo Bedarf entsteht
Ein zentrales Problem der Wasserstoffwirtschaft ist Transport und Speicherung: Selbst wenn in sonnenreichen Regionen günstig Wasserstoff erzeugt wird, steigern Transportkosten den Preis massiv. Agriversa verfolgt stattdessen eine dezentrale Philosophie.
- Wasserstoff wird bedarfsgerecht vor Ort produziert, etwa an Tankstellen oder Verteilzentren.
- Methan wird flüssig gemacht (LNG) und transportiert, weil LNG-Infrastruktur bereits weit verbreitet ist und kostengünstiger zu handhaben ist als grob handelbarer Wasserstoff.
- Vor Ort kann LNG dann zu Wasserstoff umgewandelt werden, wodurch lange Transportketten und teure Speicher reduziert werden.
Damit wird Wasserstoff konkurrenzfähig: Preis und Verfügbarkeit entscheiden über Akzeptanz. Wenn Wasserstoff günstiger ist als Diesel und Benzin, wird sich die Nachfrage schnell entwickeln.
🏙️ Berlin als Modellstandort – warum hier starten?
Der Vorschlag, ein Pilotprojekt in der Nähe von Berlin zu errichten, ist strategisch: Logistik, Marktnähe und Sichtbarkeit sprechen dafür. Berlin bietet als Großstadt einen großen Abnehmermarkt für Lebensmittel, und in der Region sitzen potenzielle Abnehmer von Wasserstoff.
Zusätzlich eröffnet die Nähe zur Hauptstadt Möglichkeiten für Öffentlichkeitsarbeit, Aus- und Weiterbildung und die Bindung qualifizierter Arbeitskräfte. Pro Standort sind etwa 350 gut ausgebildete Mitarbeitende geplant, inklusive Ausbildungskapazitäten.
💶 Wirtschaftlichkeit: Lässt sich das rechnen?
Ein oftgehörtes Argument gegen nachhaltige Innovationen ist der Kostenfaktor. Agriversa begegnet dieser Skepsis mit einer ganzheitlichen Kalkulation:
- Erzeugung von Mehrfachnutzen: Lebensmittel, Energieträger (LNG, Wasserstoff), Kohlenstoffprodukte und Dünger.
- Reduzierte Transportkosten durch regionale Nutzung und Nähe der Prozesse.
- Niedrigere Betriebskosten durch Nutzung eigener Rohstoffe (Futterreste, Gülle, organische Abfälle).
Die Kalkulationen zeigen, dass Biomethan preislich mit vorher günstigem fossilen Gas konkurrieren kann. Für Wasserstoff werden Herstellkosten von unter 2 Euro pro Kilo angepeilt. Durch die Kombination mehrerer Erlösquellen entsteht ein robustes Geschäftsmodell, das ohne dauerhafte Subventionen auskommt.
🌍 Skalierbarkeit: Von Deutschland in die Welt
Landwirtschaftliche Kreislaufwirtschaft ist ein globales Thema. Weltweit gibt es etwa 1,3 Milliarden Rinder. Wenn landwirtschaftliche Regionen diese Wertschöpfungsketten adaptieren, entstehen Möglichkeiten:
- Reduzierung von Emissionen
- Regionale Energieunabhängigkeit
- Wiederaufbau von fruchtbaren Flächen, etwa durch Nutzung von Nährstoffen für Begrünung in trockenen Regionen
Das Potenzial ist riesig, doch die Umsetzung braucht Mut, lokale Anpassung und die Bereitschaft, traditionelle Prozesse zu verändern.
👩🌾 Personal und Nachwuchs: Die Menschenfrage
Ein zentrales Hemmnis sind die Menschen selbst: Viele Landwirtinnen und Landwirte reagieren zurückhaltend auf radikale Neuerungen. Agriversa setzt daher auf faire Arbeitsplätze, Ausbildung und das Aufzeigen wirtschaftlicher Chancen.
Es braucht junge, mutige Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter, die bereit sind, Neues auszuprobieren. Nur so lässt sich die notwendige Infrastruktur von 1500 Standorten in 15 bis 20 Jahren erreichen, um eine klimaneutrale Landwirtschaft gemäß Zielvorgaben zu ermöglichen.
🧭 Werte und Motivation: Was treibt die Initiatoren an?
Hinter dem Projekt steht die Überzeugung, dass Arbeit Sinn stiftet und dass praktische Lösungen existieren, wenn man sie ernsthaft angeht. Die Initiatoren arbeiten seit Jahren teilweise ohne festes Gehalt, weil sie an die Idee glauben und Verantwortung gegenüber Geldgebern, Mitarbeitenden und der Gesellschaft verspüren.
„Arbeit macht das Leben süß. Arbeit hält fit und gibt Sinn.“
Diese Haltung wirkt ansteckend: Wer täglich neue technische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Fragestellungen löst, bleibt lernfähig und gewinnt Unterstützerinnen und Unterstützer.
📈 Konkrete Angebote: Was würden Betriebe und Städte konkret erhalten?
Ein Agriversa-Standort liefert:
- Regionale, hochwertige Lebensmittel aus tiergerechter Haltung.
- Energieprodukte: LNG, Wasserstoff, Wärme, Strom.
- hochwertigen biologischen Dünger und Kohlenstoffprodukte für Industrie.
- Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze in ländlichen Regionen.
Die Kombination all dieser Produkte macht das Geschäftsmodell resilient und lokal wertschöpfend.
❓FAQ
Wie kann eine Kuh Energie liefern und nicht nur Emissionen verursachen?
Die Kuh produziert neben Milch auch organische Reststoffe wie Gülle. Diese Reststoffe plus Futterreste und organische Abfälle werden in einer Biogasanlage vergoren. Durch CO2-Methanisierung wird der Biogasertrag erhöht und in nachfolgenden Prozessen wie Plasmalyse in Wasserstoff und festen Kohlenstoff umgewandelt. So werden vermeintliche Emissionen zu nutzbarer Energie und Rohstoffen.
Warum ist CO2-Methanisierung wirtschaftlich sinnvoller als direkte CO2-Entnahme aus der Luft?
Direkte CO2-Entnahme aus der Atmosphäre ist energieintensiv und teuer, weil CO2 dort in sehr geringer Konzentration vorliegt. Bei Agriversa fällt CO2 als Nebenprodukt in konzentrierter Form an (z. B. aus Biogas). Die Methanisierung nutzt dieses vorhandene CO2 effizient und wandelt es in wertvolles Methan um, was ökonomisch viel attraktiver ist.
Braucht man für die Plasmalyse große Mengen zusätzlichen Stroms?
Plasmalyse benötigt Energie, erzeugt dafür aber hochwertige Produkte wie Wasserstoff und festen Kohlenstoff sowie nutzbare Abwärme. In einem integrierten System kann ein Teil dieser Energie durch eigene Erzeugung (z. B. Biogas, Solar, Wind) bereitgestellt und die Abwärme rückgeführt werden, sodass die Energiebilanz positiv wird.
Ist das System abhängig von Subventionen?
Die Konzeption zielt darauf ab, ohne dauerhafte Subventionen wettbewerbsfähig zu sein. Die Kombination mehrerer Erlösquellen, lokale Nutzung und geringe Transportkosten machen die Wirtschaftlichkeit auch gegenüber fossilen Preisen robust.
Wie viel Arbeit schafft ein Agriversa-Standort?
Pro Einheit werden ungefähr 350 gut ausgebildete Stellen geplant. Dazu kommen Ausbildungsplätze, was zu einer regionalen Beschäftigungs- und Qualifizierungswirkung führt.
Kann das Konzept auch in trockenen Regionen oder der Wüste funktionieren?
Ja. Durch die Nutzung von Nährstoffströmen aus Gülle und Reststoffen kann die Bewässerung und Begrünung unterstützt werden. Pilotprojekte testen die Nutzung von Restwasser und Dünger, um Futterflächen zu schaffen oder degradiertes Land wiederaufzuforsten. Anpassungen an lokalen klimatischen Bedingungen sind dabei notwendig.
🔚 Fazit: Landwirtschaft als Motor für Energieunabhängigkeit
Agriversa zeigt eine Vision, wie Landwirtschaft künftig aussehen kann: tiergerecht, klimafreundlich und wirtschaftlich. Die Schlüssel sind Kreislaufdenken, technische Integration und dezentrale Wertschöpfung. Wenn Landwirte, Kommunen und Industrie zusammenarbeiten, entsteht nicht nur regionaler Wohlstand, sondern auch ein Beitrag zur nationalen Energieunabhängigkeit.
Die Herausforderung ist groß, aber die Chancen sind es auch: weniger Emissionen, mehr Energie aus heimischen Quellen, neue Arbeitsplätze und ein nachhaltiges Geschäftsmodell. Der Weg dorthin verlangt Mut, Experimentierfreude und langfristiges Denken.
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